Seit Wochen erregen sich bekannte und unbekannte
Suhrkamp-Autoren über den Niedergang ihres Verlags, der seit der durch ein Gerichtsurteil angeordneten
Absetzung der
Geschäftsführerin Ulla Unseld-Berkewicz möglicherweise droht. In hyperbolischen Lobgesängen wird die Bedeutung dieses Verlags zu einem
bombastischen Heiligtum aufgebläht, das unverzichtbar für die intellektuelle
Kultur Deutschlands sei. Lautstark und einhellig tönt es überall: „Kein
Suhrkamp mehr? Armes Deutschland!!!“ Dass es auch andere bedeutende Verlage in
diesem Land gegeben hat und immer noch gibt, spielt offenbar keine Rolle für
die Wutautoren. Keine Rolle auch spielt für sie der faktische Hintergrund des
juristischen Urteils. Er wird einfach nicht erwähnt. Anscheinend glauben die
wackeren Suhrkamp-Kämpfer, dass sie durch Schweigen diese Fakten aus der Welt
schaffen können.
Die juristisch relevanten Fakten aber sind keine
Kleinigkeit, und die Richter des Berliner Landgerichts, die anhand dieser
Fakten über die Klage des Mindergesellschafters Barlach zu entscheiden hatten,
sind mit Sicherheit keine geistfeindlichen Ignoranten, die durch Neid oder Häme
zu einem missgünstigen Urteil getrieben wurden. Es sind knallharte Fakten, und
sie werfen auf die Kompetenz von Frau Unseld-Berkewicz als Geschäftsführerin
kein gutes Licht.
Wenn die Geschäftsführerin eines Unternehmens einen Teil ihrer
privaten Räumlichkeiten für
Veranstaltungen des Unternehmens zur Verfügung stellt, so ist dies ein normaler
und nicht zu beanstandender Vorgang. Wenn sie jedoch hinter dem Rücken des
Mitgesellschafters ihrem Unternehmen für die Nutzung der Räumlichkeiten eine
beträchtliche Monatsmiete in Höhe von 6000 Euro abknöpft, so hat die
Angelegenheit ein Geschmäckle, man könnte auch sagen, sie stinkt. Um nichts
anderes ging es in dem Gerichtsverfahren, und das Urteil, das die
Geschäftsführerin und die beiden weiteren Geschäftsführer zur Rückzahlung der
Mieteinnahmen zwingt, ist keineswegs skandalös.
Ob die Rechtsanwälte des Verlags mit ihrer Berufung oder die
Geschäftsführung mit ihren Bemühungen um einen Mediator Erfolg haben werden,
ist sehr fraglich, und ein Ende der Suhrkamp-Verlags ist in greifbare Nähe
gerückt.
Und ist das jetzt alles ganz furchtbar traurig? Aber ja,
wenn man bedenkt, dass dadurch auch solche Geistesgrößen wie Dietmar Dath (den
Lesern der F.A.Z. als Verfasser unverständlicher Rezensionen und erfolgloser
Sciencefiction-Romane bekannt), oder der Suhrkamp-Autor George Steiner ihre Verlagsheimat
verlieren könnten. Urteilen Sie selbst, lieber Leser, und lassen Sie sich George
Steiners Arie zum Thema, die er in seiner maßlosen Bescheidenheit der F.A.S. vom
6.1.2013 zur Verfügung stellte, auf der Zunge zergehen:
Seit mich Ulla Berkéwicz im Juli 2003 nach vielen Jahren
wieder ins alte Verlegerhaus in der Frankfurter Klettenbergstraße einlud – ich schrieb ihr damals ins Gästebuch: „In
diesem Haus jeder Erinnerung an die Zukunft“ –und mich in der Folge wieder
zurückholte in den Kreis der großen Geister des Suhrkamp-Verlages und zwei
meiner Bücher, „Warum Denken traurig macht“ und „Gedanken dichten“, zu
Bestsellern machte, beobachte ich die Entwicklung des Verlages […] mit großer
Freude […] . Hier ist, dem Ungeist unserer Zeit entgegen, der wichtigste Verlag
Deutschlands […] erfolgreich in
die Zukunft geführt worden. Suhrkamp
culture today ist ein geistiges Gebäude, das nicht nur seine Autoren und die
Feuilletons, sondern auch die Gerichte, ja die Politik zu schützen haben.
So soll es sein. Justiz und Politik dürfen endlich einmal
etwas Sinnvolles tun und die Suhrkamp-Culture samt ihren großen Geistern und exquisiten Tiefsinnigkeiten im Gästebuch vor dem Untergang bewahren.
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