Montag, 22. Oktober 2007

Wie kultiviert sind Kulturkreise?

Was ist ein Kulturkreis? Ein loser Zusammenschluß von Leuten, die sich für "Kultur"interessieren und junge Musiker und Künstler fördern?

Falsch, lieber Leser. Kunst, Literatur und Musik sind für Menschen mit Geld und Einfluß das, was Kultur schon immer war: Dekoration des schönen Lebens und ein Mittel, Reichtum und damit Macht zu demonstrieren.

Deshalb trifft der/die naive Kunstbegeisterte in solchen Kreisen auf das zunächst seltsam erscheinende Phänomen, daß die Kulturkreis-Mitglieder wenig bis überhaupt keine Ahnung von Kultur haben und sich auch nicht dafür interessieren. Gesprächsansätze in diese Richtung, die der idealistische Neuankömmling anfangs noch versuchsweise startet, versanden innerhalb von Sekunden, und man kehrt schleunigst zum Austausch von Reise- und Kauferlebnissen zurück.

Der naive Neuankömmling ist im übrigen ohnehin nicht erwünscht. Er stört das schöne Gefühl des Im-eigenen-Saft-Schwimmens, die Gemütlichkeit des vertraulichen Geschwätzes über nichts.

Damit der Naive bei den Mitgliederversammlungen keine unerwünschte Kritik während des Tagesordnungspunktes "Aussprache" üben kann, befindet sich dieser Punkt am Ende der Tagesordnung und wenige Minuten vor dem Start des zugehörigen Preisträgerkonzerts, mit dem die jungen geförderten Künstler geehrt werden.

Kleine Marginalie am Rande, die den Stil solcher Kulturkreise beleuchtet: Wenn der Kulturkreis-Vorsitzende dem Organisator der gesponsorten Konzertreihe als Dank eine Flasche Wein überreicht und dieses popelige Geschenk mit den peinlichen Worten begleitet, daß es ein "hervorragender Wein" sei, der - noch peinlicher - "fast" einem Rothschild gleichkomme, so wird hier mit huldvoller Gutsherrenarroganz eine Geschmacklosigkeit auf die nächste gestapelt, und das gegenüber einem Mann, der als einziger in diesem Kreis wirklich Ahnung von Musik hat. Aber was soll's - wes Brot ich ess, des Dank ich sing.

Über das letzte Preisträgerkonzert decke ich den Mantel gnädigen Schweigens. Nur soviel: Es wurden humorvolle Reden vorgelesen - jawohl, auch die Scherze wurden vom Blatt abgelesen -, und es wurden exotische Marimbaklänge mit Klavier kombiniert. Autsch. Gottdank konnte ich in der gleichen Woche zwei wunderbare Konzerte mit Musik hören, die diesen Namen verdient - Musik, die einem eine Ahnung gibt davon, daß der Mensch nicht nur zum Fressen und Sterben geboren wurde.

Jedenfalls ist die naive Kunstliebhaberin mal wieder ein kleines bißchen klüger geworden. Jajaja, neeneeneee.