Mittwoch, 21. März 2007

Das "Hänsel-und-Gretel"-Prinzip oder: Schwäbische Pädagogik

"Back to the roots" sagte sich ein Elternpaar im schwäbischen Uttenweiler:

"Weil sie ihr Zimmer nicht aufgeräumt hatten, sind zwei kleine Mädchen im baden-württembergischen Uttenweiler von ihren Eltern im Wald ausgesetzt worden. Eine Spaziergängerin fand die vier und sieben Jahre alten Kinder am frühen Freitagabend frierend und verängstigt und alarmierte die Polizei. Die Kinder wurden danach zu ihrer Familie zurückgebracht. Das Jugendamt setzte jedoch eine Familienpflegerin ein, die zunächst wenigstens eine Stunde am Tag anwesend sein soll. Die Eltern hätten von Anfang an nicht geplant, die Kinder dauerhaft auszusetzen, betonte ein Polizeisprecher. Sie hätten die Kinder wieder aus dem Wald abholen wollen, sie dort aber nicht mehr angetroffen." (SZ vom 19.3.2007, dpa)

Die Vorfahren dieses schwäbischen Elternpaars sollen in den hessischen Wäldern gehaust haben, wo sie bereits im 17. Jahrhundert ihr hochwirksames Erziehungsprinzip der Kindsausetzung im Wald entwickelten. Wie der Vater der Mädchen, Herr Norbert Wimmerle, auf unsere telefonische Anfrage hin betonte, sei dieses Prinzip von den Brüdern Grimm in dem bekannten Märchen von Hänsel und Gretel völlig verfälscht dargestellt worden. Herr Wimmerle war im übrigen äußerst erbittert über das unbefugte Sicheinmischen der Spaziergängerin, durch die die "gesamte Maßnahme fählgeschlage isch - meine Mädle waren hochgradig verunsichert und hielten doch tatsächlich diese übermotivierte Frau für die Hex!" Hier lachte Herr Wimmerle herzlich, und auch seine Frau schmunzelte hörbar, obwohl, wie sie ergänzend bemerkte, "die Situation jätzscht extrem schwierig isch - das Erziehungsziel isch halt wägen der ganzen Aufregung ein bissle in den Hintergrund gerückt, gell!"
Es scheint in dieser Hinsicht aber doch Hoffnung zu bestehen, denn die beiden Töchter hielten sich, wie uns Herr Wimmerle mit unverhülltem Stolz in der Stimme versicherte, während des gesamten Telefongesprächs in ihrem Kinderzimmer auf, das sie "zum ärschtenmal völlig freiwillig aufgeräumt habet, hano!"

Donnerstag, 8. März 2007

Ist Peter Singer glücklich?

Neulich war ich auf einem Fest. Einem Faschingsfest in dem Zentrum, wo meine Tochter Clara von Montags bis Freitags lebt (am Wochenende ist sie zu Hause). Und es war umwerfend. Nirgendwo sonst habe ich solche Lebensfreude, solche Begeisterung, solche hinreißend gute Laune erlebt wie dort. Unter dem Motto "Die damischen Ritter von Giesing" hatten sich alle wunderbar verkleidet, die Betreuer hatten Burgkulissen gemalt, es gab Krapfen, und zu schwungvoller Musik wurde kräftig "abgetanzt" (das geht auch mit Rollstühlen).
Als ich wieder nach Hause fuhr, mußte ich an Peter Singer denken. Das ist dieser in Deutschland sehr heftig umstrittene australische Ethiker, der inzwischen in Princeton lehren darf und neulich bei Maischberger eingeladen war, wo er mit anderen Gästen über das Lebensrecht Behinderter diskutierte. Das bestreitet er nämlich, das Lebensrecht, der gute Herr Singer, u.a. mit dem Argument, daß man schwerbehinderte Säuglinge zu ihrem eigenen Wohl bzw. auch zum Wohl ihrer Eltern töten dürfe. Begründet wird das mit der utilitaristischen Zielsetzung der "Glücksmaximierung" bzw. Leidverhinderung.
Dazu gäbe es eine ganze Menge zu sagen, aber dies soll keine philosophische Abhandlung werden. Besonders absurd - das möchte ich hier doch erwähnen - fand ich allerdings einen Artikel von einem Helmut F. Kaplan, der ein Anhänger Singers und ein Propagandist von "Tierrechten" ist. In diesem Artikel gibt es u. a., nachdem Kaplan erstmal Handlungen und Unterlassungen in einen Topf geschmissen hat, die folgende an Irrsinn grenzende Scheinlogik zu bewundern: "Wenn man es für moralisch falsch hält, ein neugeborenes ...Kind ...zu töten, weil sich daraus einmal eine Person entwickeln wird, dann müßte man es ... auch falsch finden, eine Handlung zu unterlassen, die die gleiche Konsequenz hat: den Geschlechtsverkehr. In beiden Fällen, bei der aktiven Tötung wie bei der Nichtzeugung, wird das Entstehen einer Person verhindert. Tötung und Nichtfortpflanzung, Handlung und Unterlassung, haben die gleiche Konsequenz - und sind daher moralisch vergleichbar."
Zur Kritik an Singer gibt's eine ganze Menge Informationen im Internet; bei Wikipedia sind einige "Basics" nachzulesen und ein paar gute Links. Bei Maischberger jedenfalls wurde Singer mit der Pflegemutter eines behinderten Down-Syndrom-Kindes konfrontiert, das seine Abtreibung überlebt hatte und inzwischen ein fröhlicher und, jawohl, ein sehr glücklicher Junge geworden ist. Auf die Frage, ob er es nicht schön fände, daß der kleine Tim lebt, antwortete Singer: "Ich finde es falsch, daß dieses Kind am Leben ist." Was der Herr Professor aus Princeton zu den kritischen und präzisen Fragen der gut informierten Gäste sonst noch zu sagen hatte, war nicht besonders bemerkenswert; er machte keine gute Figur, unterließ es aber fast nie, ein souverän-gütiges Lächeln zur Schau zu tragen.
Dieses Lächeln kann man auch auf der Homepage des Professors bewundern, und zwar gleich elfmal. Denn genau so viele Fotos von Singer höchstpersönlich, in leger-edlem leinenen Freizeithemd, finden sich auf der Homepage: Singer im Gegenlicht, Singer auf einer überwachsenen Steinmauer, Singer kurzbehost im Grase knieend, Singer der Tierfreund ein Schaf streichelnd ... Und immer dieses penetrant gütige Lächeln. Man meint schließlich, wie weiland Alice im Wunderland, als sie der grinsenden Katze begegnet, nur noch das Grinsen des Professors zu sehen.
Und es ist doch interessant, warum der Ethikprofessor, der zum Töten aufruft, sein eigenes Existieren gleich elfmal im Foto beweisen muß. Wer weiß, vielleicht fühlt er sich ja nur lebendig, indem er Leben verneint. Ob er damit auch glücklich ist, möchte ich allerdings bezweifeln.

Donnerstag, 1. März 2007

Ihr Kinderlein kommet

...zur Krippe herkommet, und zwar nicht der "Ur-Krippe" in Bethlehems Stall, sondern in eines der von Frau von der Leyen propagierten Aufbewahrungs-Ghettos. Und von den Kindern muß in dieser künstlich aufgeheizten Diskussion zuallererst geredet werden - nicht von den Müttern.
Schon der Name für diese Baby-Sammelstellen ist ein Hohn und pervertiert den ursprünglichen Sinn, nämlich ein von der leiblichen Mutter behütetes Bett für das neugeborene Baby zu sein. Nein, die Krippen, um die zur Zeit so heftig gestritten wird, sind keine von der Mutter behüteten Orte für Kleinkinder, sondern von bezahltem Fachpersonal durchorganisierte "Betreuungsangebote", wo auch die ganz Kleinen schon "gefördert", beurteilt, aufs Lernen vorbereitet und auf das Leben in Gemeinschaft hin sozialisiert werden.
Na und? Ist das so schlecht? Nein, es ist sicher nicht die Hölle, und manch ein Kind wird so etwas ohne "sichtbare" Schäden, aber mit den messbaren Positiva erhöhter Teamfähigkeit, Flexibilität und Lenkbarkeit durchlaufen.
Warum also rege ich mich auf?
Ich glaube, daß hier etwas Grundsätzliches übersehen wird. Es geht nicht nur darum, daß mit der Kinderkrippe dem kleinen Kind bereits im Stadium des Nesthockers etwas zugemutet wird, das erst zu einem späteren Zeitpunkt seiner Entwicklung kommen dürfte. Nein, das Entscheidende ist, daß ihm das vorenthalten wird, was es zu Beginn seines Lebens am meisten braucht: die ungeteilte und nicht bewertende Liebe der Mutter. Eine Mutter liebt ihr Kind um seiner selbst willen, nicht wegen irgendwelcher Merkmale oder Begabungen. Nur durch diese Liebe, die keine Gründe braucht und sucht, bekommt das Kind das Urvertrauen, das die Voraussetzung zur Entwicklung einer gesunden und glücklichen Persönlichkeit ist. Keine noch so engagierte Erzieherin kann hier die Mutter ersetzen.
Klar - auch die Erzieherin "mag" ihre Krippenkinder, auch sie ist "nett" zu ihnen; aber sie wird gar nicht umhin können, die ihr anvertrauten Kinder zu vergleichen, zu bewerten, zu beurteilen. Und schon sind die Kinder dort, wo sie ohnehin früh genug hinkommen - im Prokrustesbett des Leistungsdenkens, des "Rankings", des "Nutzens". Und wenn dann die Fremdbetreuung jeden Tag acht Stunden dauert, wird das Argument von der"Qualität" der mütterlichen Zuwendung, die angeblich die "Quantität" aufwiege, unglaubwürdig.
Die Lösungen liegen anderswo, nicht im Ausbau der Kinderkrippen. Mehr Zeit für die Familie, mehr Flexibilität bei Halbtagsjobs, bei der Rückkehr in den Beruf nach mehrjähriger Familienpause, mehr häusliche Hilfen für Mütter (zum Beispiel eine Art Zivildienst - auch übrigens für Mädchen - in Familien): das sind einige Stichworte; hier sollte Frau von der Leyen mal Phantasie entwickeln, anstatt alte Pläne der Schröderregierung aus der Schublade zu ziehen ...