Dienstag, 8. März 2011

Parallel erzählen

"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen."
Und man hört ihm auch gern zu? Das war einmal so, in den Zeiten, als es noch kein Fernsehen, kein Radio und keinen Massentourismus gab.

Da es aber diese schönen Dinge nun einmal gibt, ist jeder, dem man etwas erzählen möchte, schon überall gewesen. Und der Erzähler, anfangs naiv durchdrungen von der Einzigartigkeit seiner Erlebnisse - vom zumindest individuell als singulär Erlebten, läßt die Flügel seines spontanen Mitteilungsbedürfnisses schnell hängen vor der banalisierenden "Ich auch"-Mitteilsamkeit seines Zuhörers, die das Erlebnis, das gerade erzählt werden sollte, nur als Stichwort für die eigene rednerische Selbstentfaltung nutzt.

Oh bitte nein, möchte er wie der Mann aus Botho Strauß' "Paare, Passanten" ausrufen, erzählen Sie mir jetzt nicht dasselbe von Ihnen und auch nicht etwas annähernd Ähnliches, das Sie einmal erleben mußten... Schweigen Sie und verkneifen Sie sich die Parallele!

Und er merkt wieder einmal, daß die Welt letztlich nur das ist, was jeder selbst in seinem eigenen kleinen Kreis erlebt.

Einzigartigkeit des Erlebens wird nur denen zugestanden, die aufgrund einer erworbenen oder ererbten Prominenz ohnehin Einzigartigkeits-Status genießen; die Erlebnisse dieser "Prominenten" werden gierig als Besonderheiten von der zugehörigen Presse vermarktet und entsprechend rezipiert - und sind als veröffentlichtes Leben sofort der Einzigartigkeit beraubt, um deretwillen sie bewundert werden.

So sollte man sorgsam umgehen mit dem Reden über sich. Umhüllen sollte man seine kleinen persönlichen Erlebnisperlen mit dem Mantel fürsorglichen Schweigens, sie schützen vor der Banalität des "Ich auch", damit sie ihren Glanz und ihre Frische bewahren im unantastbaren Raum der persönlichen Erinnerung.