Montag, 22. September 2008

Pränatale Diagnostik?

"Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), hofft auf eine Verringerung sogannter Spätabtreibungen. Um die Zahl der Abtreibungen zu senken, die nach der zwölften Schwangerschaftswoche erfolgen, nachdem eine Schädigung oder Behinderung des Ungeborenen festgestellt worden ist, müsse die Beratung verbessert werden und eine dreitägige Bedenkzeit eingeführt werden."

Zu dieser Meldung gab es am 21.9.2008 eine Diskussion im Deutschlandfunk. Man war sich einig, daß das Leben mit behinderten Kindern "viel Freude machen" könne und daß Frauen, die durch eine Gendiagnostik von einer Behinderung ihres ungeborenen Kindes erfahren, beraten werden und Bedenkzeit bekommen sollten, so daß sich vielleicht etwas weniger als die bisherigen 90 Prozent zur Abtreibung entschließen.

Was nicht angezweifelt und dementsprechend nicht diskutiert wurde, ist die pränatale Diagnostik selbst. Dabei liegt hier der eigentliche Kern des Problems.

Denn sowohl die pränatale Diagnostik wie auch die oben erwähnten Pläne einer mehrtägigen Bedenkzeit gehen davon aus, daß die Eltern durch eine ausführliche Beratung zu einer sinnvollen und gerechten Entscheidung bezüglich des Lebensrechts ihres behinderten Fötus und ihrer eigenen Lebensgestaltung kommen können.

Diese Voraussetzung aber ist fehlerhaft. Man kann keine Entscheidung über eine zukünftige Situation treffen, deren Koordinaten man nicht kennt. Man kennt weder die eigenen Fähigkeiten und Kräfte, die man in einer unbekannten Situation entwickeln wird. Man kennt auch nicht die Reaktion auf die Behinderung des eigenen Kindes. Sie wird realiter immer eine andere sein als die imaginierte. Man kennt ferner nicht die Entwicklung des behinderten Kindes, m.a.W., weiß noch nicht, wie sich dieses Kind mit seiner individuellen Behinderung "einrichten", welche besonderen Eigenschaften es haben wird, wie seine Sozialisierung aussehen wird.

So werden mit dem Wissen um die Behinderung des Kindes im Mutterleib die Eltern zu einem Zeitpunkt vor die unwiderrufliche Entscheidung über Leben oder Tod dieses Kindes gestellt, an dem sie nicht in der Lage sind, über die Sinnhaftigkeit und den "Wert"des Lebens, das da wächst, zu entscheiden.

Wie sollen sie auch wissen, daß gerade die Fürsorge für ein hilfsbedürftiges Kind ungeahnte Kräfte zu mobilisieren vermag. Es hat durchaus seinen Sinn, daß man generell nicht die Katastrophen kennt, die die eigene Biographie für einen bereithält. Wie oft stellt sich eine sogenannte "Prüfung", bzw. ein "Unglück", als Lebensprobe heraus, aus der man gestärkt hervorgeht! Ein leichtes, von Krankheit, Trauer, Schmerz und Zweifel unbehelligtes Leben mag angenehm, mag "schön" sein, doch es ist weder die Regel, noch unbedingt wünschenswert.

Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, ob Eltern oder Ärzte überhaupt JEMALS in der Lage sind, über den Wert oder Unwert eines Lebens zu entscheiden, bzw. ob ihnen überhaupt ein lebensentscheidendes Recht zukommt. Wenn wir dies bejahen, bejahen wir auch die Praxis der Nationalsozialisten, die Behinderte als "lebensunwertes Leben" brandmarkten und damit deren Ermordung rechtfertigten.
Die einzig mögliche Antwort ist die, daß es kein "lebensunwertes" Leben gibt.
Daß sich aus dem Nein zur pränataldiagnostisch begründeten Abtreibung auch ein Nein zur millionenfach ausgeübten "normalen" Abtreibung ergibt, ist evident.