Dienstag, 8. März 2011

Parallel erzählen

"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen."
Und man hört ihm auch gern zu? Das war einmal so, in den Zeiten, als es noch kein Fernsehen, kein Radio und keinen Massentourismus gab.

Da es aber diese schönen Dinge nun einmal gibt, ist jeder, dem man etwas erzählen möchte, schon überall gewesen. Und der Erzähler, anfangs naiv durchdrungen von der Einzigartigkeit seiner Erlebnisse - vom zumindest individuell als singulär Erlebten, läßt die Flügel seines spontanen Mitteilungsbedürfnisses schnell hängen vor der banalisierenden "Ich auch"-Mitteilsamkeit seines Zuhörers, die das Erlebnis, das gerade erzählt werden sollte, nur als Stichwort für die eigene rednerische Selbstentfaltung nutzt.

Oh bitte nein, möchte er wie der Mann aus Botho Strauß' "Paare, Passanten" ausrufen, erzählen Sie mir jetzt nicht dasselbe von Ihnen und auch nicht etwas annähernd Ähnliches, das Sie einmal erleben mußten... Schweigen Sie und verkneifen Sie sich die Parallele!

Und er merkt wieder einmal, daß die Welt letztlich nur das ist, was jeder selbst in seinem eigenen kleinen Kreis erlebt.

Einzigartigkeit des Erlebens wird nur denen zugestanden, die aufgrund einer erworbenen oder ererbten Prominenz ohnehin Einzigartigkeits-Status genießen; die Erlebnisse dieser "Prominenten" werden gierig als Besonderheiten von der zugehörigen Presse vermarktet und entsprechend rezipiert - und sind als veröffentlichtes Leben sofort der Einzigartigkeit beraubt, um deretwillen sie bewundert werden.

So sollte man sorgsam umgehen mit dem Reden über sich. Umhüllen sollte man seine kleinen persönlichen Erlebnisperlen mit dem Mantel fürsorglichen Schweigens, sie schützen vor der Banalität des "Ich auch", damit sie ihren Glanz und ihre Frische bewahren im unantastbaren Raum der persönlichen Erinnerung.

Dienstag, 22. Februar 2011

Guttenberg for president

Ich plädiere hiermit dafür, daß Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Christian Wulff ablöst und zum neuen Bundespräsidenten gekürt wird. Ein Mann, der seinen Doktortitel durch Betrug erschwindelt hat, ist der ideale Repräsentant eines Landes, dessen Spitzenpolitiker das Vergehen unseres Verteidígungsministers folgendermaßen kommentieren (alle Zitate aus den SZ-Ausgaben der letzten Tage):

Angela Merkel: "Ich kümmere mich um die Frage: Wird er seinen Aufgaben als Verteidigungsminister gerecht? Und ich sage: ja. ... Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten berufen."

Hierzu gibt es einen ausgezeichneten Kommentar in der SZ (22.02.2011) von Nico Fried, der zu Recht darauf hinweist, daß "Merkels Trennung des Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg vom Wissenschaftler Karl-Theodor zu Guttenberg...ihrer Klugheit unwürdig" sei. "Die Verbindung zwischen der Doktorarbeit und der Ministerarbeit ist die Integrität Guttenbergs. Diese Verbindung ist so unübersehbar wie eine geschlossene Bahnschranke und so fest wie ein Achterknoten. Wenn Merkel sie ignoriert, verrät die Kanzlerin schlicht den politischen Faktor der persönlichen Glaubwürdigkeit, dem sie selbst ihre Wiederwahl mit zu verdanken hat."


Horst Seehofer: "Fehler können passieren, sie gehören zur Laufbahn eines Politikers. Es gibt keine Spitzenkarriere ohne Narben und Verwundungen." (Des weiteren führte Herr Seehofer in diesem Zusammenhang aus, daß auch er - Seehofer - Skandale überstanden habe.
Im Klartext: "Willkommen im Klub, lieber KT. Du hast bewiesen, daß du ein Schwein und somit ein fähiger Politiker bist."


Stefan Mappus (baden-württembergischer Ministerpräsident, CDU): "Wir haben in diesem Land - und in Afghanistan - wahrlich andere Sorgen als die Frage, ob die Fußnoten einer Doktorarbeit richtig gesetzt sind."

Kommentar erübrigt sich.

Peter Altmaier (Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und Präsident der überparteilichen Europa-Union in Deutschland) verkündet, daß "die CDU/CSU-Fraktion in großer Geschlossenheit hinter der politischen Leistung des Ministers in diesen beiden Jahren steht. Diese Leistung und der wissenschaftliche Aspekt müssen getrennt werden, um die Universität Bayreuth nicht unter Druck zu setzen."

Besonders dreist. Dieser Mensch glaubt also allen Ernstes, er oder irgendein anderer seiner Politbrüder könne eine unabhängige wissenschaftliche Institution unter Druck setzen. Wie großzügig, daß er darauf besteht, daß man dies doch netterweise nicht tun solle.

Zum Schluß noch ein Sahnehäubchen aus der oberfränkischen Provinz Kulmbach, der Heimat unseres feinen Freiherrn, das uns Christine Flauder, stellvertretende Kulmbacher Landrätin, übrigens SPD, geschenkt hat:
"Er will es halt immer besonders gut machen,
dann passiert so was eben."