Mittwoch, 29. Oktober 2008

Herr B. fährt Bahn (eine wahre Geschichte)

Herr Dieter B. fuhr eigentlich nie mit der Bahn. Reisen tat er zusammen mit seiner Frau, und das war mit dem Auto erstens billiger und zweitens schöner. Aber nun mußte Herr B. spontan jemanden treffen - wen und warum tut hier nichts zur Sache -, ohne seine Frau und dreihundert Kilometer weit weg.

Gut, also doch mal Bahn fahren. Wird auch mal Zeit, sagte Frau B., du paßt doch gut zur DB, mit deinem Namen. Herrn B.s Frau war sogar beim Internetservice der Bahn registriert, und so wollte sie ein Ticket für ihren Mann ausdrucken. Allerdings mußte sie feststellen, daß dies nicht ging: das unter ihrer Registrierung ausgedruckte Ticket wäre nicht übertragbar gewesen, die Bahn glaubte offenbar Herrn B. oder sonst jemandem nicht, wenn er mit dem Ticket seiner Frau oder Freundin kam und behauptete, die hätte das für ihn ausgedruckt und bezahlt. Und ohne Registrierung ausdrucken ging auch nicht, weil Herr B. dafür eine Kreditkarte benötigt hätte, und die besaß er nicht, aus Prinzip. Na gut, sagte Frau B., man kann zwar bei Tchibo und bei Karstadt und bei Amazon und überhaupt überall ohne Kreditkarte im Internet einkaufen, aber unsere Deutsche Bahn ist eben etwas Besonderes, die sind mißtrauisch.

So fuhr Herr B. zum Bahnhof und stellte sich in die Schlange an einem Schalter. Nach fünfundzwanzig Minuten stand er immer noch dort. Die Kundin, die sich seit einer knappen halben Stunde am Schalter beraten ließ, hatte offenbar sehr viel Zeit und noch mehr Fragen. Herr B. war so euphorisch, als er endlich drankam, daß er zu seinem Ticket noch gleich eine Bahncard25 kaufte. Wer weiß - vielleicht würde er in Zukunft ja öfter mit der Bahn...?

Am nächsten Morgen war Chaos am Bahnhof. Die Bahn hatte ihre ICE-Züge aus dem Verkehr nehmen müssen, weil irgendwas mit den Rädern nicht stimmte. Mit zwei Stunden Verspätung kam Herr B. schließlich an seinem Zielort an, ausgehungert, weil es nichts zu essen gegeben hatte in der Bahn, und sehr durstig, weil auch niemand etwas zu trinken angeboten hatte.
In der Bahnhofslounge pries eine Speisekarte zwar so herrliche Dinge wie "drei kleine Schweinemedaillons mit Ofenkartoffeln" an, aber dieses Essen, das aus zwei Fleischstücken und Kartoffeln bestand, schmeckte nicht einmal nach nichts, das wäre ja noch zu ertragen gewesen, sondern scheußlich. Trotzdem, sozusagen aus wissenschaftlichem Interesse, fragte Herr B. den Kellner, wieso es denn nur zwei Medaillons seien, anstatt der auf der Speisekarte angekündigten drei. Der Kellner behauptete, diese Medaillons seien größer als die drei kleinen, die sie sonst servierten - drum. Die Toilette dieser Bahnhofslokalität paßte zum Essen. Ein Becken war kaputt, im Seifenspender befand sich keine Seife, und der Papierbehälter zum Händeabtrocknen war leer.

Auf der Rückfahrt, die erstaunlicherweise ohne Verspätung ablief, saß Herr B. hinter einer Frau, die ohne Unterbrechung und lautstark Geschäftsgespräche auf ihrem Handy führte. Als die vorpubertäre und extrem gelangweilte Tochter der Frau auch anfing, in ihr Handy zu sprechen, wurde sie von ihrer Mutter zurechtgestaucht, daß sie nicht so laut sein solle, hingegen wagte keiner der Mitreisenden, die Mutter in ähnlicher Weise zu ermahnen. Herr B. hatte wieder großen Durst, aber kein freundlicher oder unfreundlicher Servicemensch erbarmte sich seiner. Trotz seines Durstes fand Herr B. es irgendwann erforderlich, die Zugtoilette aufzusuchen. Doch die beiden Toiletten an den Wagendurchgängen waren, wie ein Zettel an den Toilettentüren mitteilte, defekt. Vor der weiter entfernten, funktionierenden Toilette drängte sich eine lange Schlange von Zugreisenden. Herr B. kehrte an seinen Platz zurück, entfaltete die Tageszeitung und las, daß die Bahnvorstände bei einem Börsengang der Bahn sechsstellige Sonderzahlungen erhalten würden.

Auf dem Bahnhof seiner Heimatstadt angekommen, zerriß Herr B. seine Bahncard25 und streute die Schnipsel in einen überquellenden Bahnhofsabfallkorb. Und er schwor sich, seinen Namen nie mehr mit D.B. abzukürzen.

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