Dienstag, 14. Oktober 2008

Fernsehen ist doof

Nach Marcel R.'s spektakulärem Auftritt beim deutschen Fernsehpreis war die Branche high. Bei der angesagtesten Party im Anschluß an die Gala sollen verschiedene bekannte Persönlichkeiten aus Film, Fernsehen und Politik Marcel R.'s Fernsehschelte zustimmend kommentiert haben, und das hörte sich etwa so an:

Elke H. (Literaturpäpstin): Fernsehen ist doof, hab ich immer gesagt. Leute, lest lieber, sag ich immer, es gibt so viele gute Bücher, guckt einfach mal in meine Sendung, dann habt ihr Lesestoff und müßt nicht mehr meine Sendung gucken. Daß ich das mit den Büchern mache, ist ja eigentlich nur ehrenamtlich, das bißchen, was ich dafür kriege, das sind doch Peanuts im Vergleich zu dem, was der Ackermann so einstreicht, und der tut nix für die Bildung, so wie ich. Also die solln mich ruhig rausschmeißen, diese verknöcherten Idioten.

Hans J. (ZDF-Programmchef): Die Elke geht doch sowieso, aber den Marcel, den müssen wir uns warmhalten. Klasse, der Mann.

Veronika F. (Actrice, vom Busenwunder zur Empörungs- und Charakterdarstellerin aufgestíegen): Also der Herr Reich, der hat ja ein wunderbares Temperament, ein Vulkan, und das mit achtundachtzig. Ich finde, er hat da was ganz ganz Wichtiges gesagt, man muß echt auf mehr Niveau achten im Tievie, also das tue ich auch, ich wähle meine Projekte ja sehr sehr kritisch aus, und wenn das alle tun würden, dann hätten wir ein ganz anderes Niveau im deutschen Fernsehfilm. Danke, Marcel, ich fand das ganz ganz großartig, was du da gemacht hast. (Sie eilt auf Marcel R. zu, der umringt ist von Bewunderern, und drückt ihm, bevor er sich abwenden kann, einen herzlichen Kuß auf die Greisenwange.)

Josef L. (Fernsehkoch): Stimmt schon, Fernsehen ist total doof, vor allem, wenn keine Kochsendungen laufen, versteh gar nicht, wieso die Leute dann überhaupt einschalten. Also ich hab den Marcel mal beim Essen kennengelernt, da hatte ich das Gefühl, daß der unheimlich gern ißt.

Günther J. (nebem Thomas G. Deutschlands bekanntester TV-Moderator): Natürlich ist Fernsehen doof, und je besser dann bestimmte Sendungen sind, die von den wenigen intelligenten Leuten in dieser Branche moderiert werden, desto krasser zeigt sich die Doofheit des alltäglichen TV-Schlamms. Nur so ist es doch zu verstehen, daß man mich (charmantes selbstironisches Lächeln) für den intelligentesten Mann Deutschlands hält...

Angie M. (Bundeskanzlerin): Das Massenmedium Fernsehen hat natürlich Schwächen, aber wir sollten doch dankbar sein für die Freiheit der Meinungsäußerung, die in diesem Land auch einem extrem formulierenden Medienkritiker wie Herrn R. Raum für einen solchen Auftritt gibt. Die Tragik des von mir immer bewunderten Herrn R. ist es, daß ein selbstreferentielles System wie das Fernsehen auch den, der es bekämpft, zum funktionierenden Teil des Sytems macht...

(an dieser Stelle wird Angie M. von Josef A., Bankier, zur Seite genommen und in ein längeres, mit gedämpfter Lautstärke geführtes Gespräch verwickelt.)

Klaus W. (Berliner Oberbürgermeister), gutgelaunt und mit dem fünften - oder sechsten? - Glas Moet Chandon in der Hand: Fernsehen schwallt, und das ist nicht gut so.

Josef A. (Bankier) hat das Gespräch mit Angie M. beendet und nähert sich Marcel R., der gerade mit dem Werbechef von Telekom angestoßen hat: Ich bin Ihnen ja so dankbar, Herr R.! Endlich redet man mal nicht von uns! Wie wär's, ich hatte da so eine Idee - wir würden gern einen neuen Preis stiften, für mutige TV-Journalisten und Persönlichkeiten wie Sie, die kein Blatt vor den Mund nehmen: dürften wir diesen Preis nach Ihnen benennen? Und vielleicht sogar durch Sie überreichen lassen? Übernachtung mit Frühstück und Reisekosten werden selbstverständlich erstattet, und auch sonstige Kosten werden...

Hier schwappte die Party akustisch über den beiden Herrschaften zusammen, und der Rest ging in den wummernden Bässen der Band "Einstürzende Neubauten" unter.

P.S. Wie man hört, möchte Elke H. einen besseren Sendeplatz für "Lesen!", und Marcel R. erklärt, daß die Werbung, die die Telekom mit einem Foto von seiner Fernsehschelte macht, ein Mißverständnis sei.