Seit nun schon über einer Woche tobt, ausgelöst durch das
Attentat auf die „Charlie-Hebdo“-Redaktion, eine leidenschaftliche Diskussion
um Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Toleranz und Intoleranz. Erwartbar und verständlich
war das Entsetzen über den islamistischen Gewaltakt, und so wurde, außer
in muslimischen Ländern, weder von
Politikern noch Publizisten Zweifel am Sinn antiklerikaler Karikaturen
geäußert, die ja im Zentrum der Arbeit
von „Charlie Hebdo“ standen und weiterhin stehen.
Nun hat sich aber der Papst eingemischt und gefordert, dass
religiöse Satire ihre Grenzen haben müsse, wobei seine Äußerung, dass den, der
seine Mutter beleidigte, sein „Faustschlag erwarte“, einer gewissen Komik nicht
entbehrt und von Jürgen Kaube (und anderen) sogleich gerügt wurde. Doch immerhin wagt man nun hier und da in Leserbriefen oder auch in sehr,
sehr vorsichtigen Kommentaren darüber nachzudenken, was Toleranz in Bezug auf
religiöse Überzeugungen bedeuten könnte.
Etwas tolerieren heißt, eine fremde Meinung, Lebensweise,
Sitte, Religion gelten zu lassen, ohne sie herabzusetzen, zu bekämpfen oder
verächtlich zu machen. Dies impliziert keineswegs, dass das fremde Tolerierte
in den eigenen Werte- oder Traditionskanon aufgenommen werden, bzw. dass die
fremden Werte verstanden und respektiert werden müssten. Jürgen Kaube zitiert
in diesem Zusammenhang Rémi Brague, der gesagt hat: „Kein Glaube verdient
Respekt, auch meiner nicht. Überzeugungen sind Dinge, Respekt kann es nur für
Menschen geben.“
Diese säuberliche Trennung von Glaubensinhalt und Gläubigem greift
allerdings nur, wenn die Respektverweigerung für den Glauben sich nicht zu
offener Respektlosigkeit, bzw. Verhöhnung des Glaubens steigert. Sobald dies
der Fall ist, wird sie fragwürdig. Denn dabei wird übersehen, dass ein religiös
orientierter Mensch sich seinen jeweiligen Glaubensinhalt im Akt des Glaubens
als geistiges Lebenszentrum aneignet. Somit trifft jede Verhöhnung des
Glaubensinhalts auch den Gläubigen als Person. Der von Rémi Brague geforderte
Respekt für Menschen wird also durchaus
verletzt, wenn deren jeweilige Glaubensinhalte durch vulgäre Karikatur im Stil
von „Charlie Hebdo“ verhöhnt werden.
Ja und, werden die meisten sagen, der fromme
Muslim/Katholik/Jude braucht die Karikatur doch nicht anzuschauen!
Dieses Argument greift aber zu kurz. Die Publikation in
einem überall erhältlichen Magazin ist, wie ja schon der Begriff der
Publikation sagt, eine öffentliche Äußerung und ein gezielter, von der
Intention her aggressiver Akt gegen alle, die dem Glauben anhängen, der durch die
Karikatur herabgewürdigt wird.
Es fragt sich, was der Sinn solcher Karikaturen sein soll.
Für wen stellen Karikaturen über Mohammed oder den Papst eine Notwendigkeit
dar? Welchen gesellschaftlichen oder ästhetischen Zweck können sie erfüllen?