Mittwoch, 11. Februar 2009

Judith Butler und ihre Fans: Wie tolerant sind Intellektuelle?

Riesige Pilgerscharen warteten ... im Foyer ... der Freien Universität Berlin. Theoriefreaks, studentisches und poststudentisches Publikum, Butler-Look-Alikes, gemischtgeschlechtliche Gender-Performer... Eine Mischung aus gespannter Aufmerksamkeit, Party-Atmosphäre und Großereignis durchwehte den Raum. Die Rhetorik-Professorin aus Berkeley, ein Star der zeitgenössischen Philosophie, hielt die zweite "Hegel-Lecture" des "Dahlem Humanities Center", das vor zwei Jahren im Zug der Exzellenzinitiative gegründet wurde.Im überfüllten Audimax - in vier weitere Hörsäle wurde per Video übertragen - hatten es die Einführenden nicht leicht: Ursula Lehmkuhl, Vizepräsidentin der FU, wurde schlichtweg ausgelacht, als das Reizwort "Exzellenzuniversität" zum ersten Mal fiel, die Ausführung der FU-Erfolgsstory ging in Buh-Rufen unter. Ein Hauch von Revolte breitete sich aus - wann waren diese Räume wohl zuletzt so zum Bersten gefüllt? - als Joachim Küpper, Sprecher des Dahlem Humanities Center, zu einer zweiten Ruhmrede anhob. Dieses Publikum wollte weder vom "Pathos der Freiheit" noch von den Leistungen der Universität etwas hören, es wollte seinen Star, und zwar sofort... (SZ vom 10. Februar 2009)

Ich fühlte mich bei der Lektüre dieses Berichts an die Studentenrevolte der ausgehenden 60er erinnert, die ich - leider - in Marburg miterleben mußte: die gleiche arrogante Unverschämtheit, mit der damals Professoren mundtot gemacht wurden, die gleiche latent gewaltbereite Ungehobeltheit, der gleiche Hype um Pseudogrößen, um sogenannte "Stars" der intellektuellen "Szene" (kann es überhaupt so etwas geben, wenn es um Wissenschaft und Wahrheit geht: "Stars"? Stars -Sterne - pflegen zu blenden, und das ist weder der Logik noch der Wahrheitsfindung zuträglich, ebensowenig wie ein Freund der Wissenschaft zugleich der "Fan" - d.h. der fanatische Verehrer eines wie auch immer gearteten Wissenschaft-Stars - sein kann.)

Aber letztlich nicht verwunderlich, daß es gerade solche "Fans" - im Klartext: Wissenschaftsmoden nachbetende Halbintelligenzen - waren, die sich derartig aufführten, und doppelt und dreifach nicht erstaunlich, daß es Jünger von Judith Butler waren. Denn die Lizenz zum individuellen Sich-daneben-Benehmen schwirrt seit der Romantik durch die unreifen Köpfe unserer Intellektuellen, und Judith Butlers Theorien sind nichts anderes als sprachlich verklausulierte und modisch aufgeputzte Versionen unausgegorener romantischer Ideen von der beliebigen Formbarkeit der Realität durch das Individuum, der unendlichen Wandelbarkeit des Ich und der unbegrenzten Verfügbarkeit alles Wirklichen für den frei umhervagabundierenden romantischen Geist.

Für eine feministisch orientierte Gender-Theoretikerin mag es ja naheliegend sein, daß sie die biologische Tatsache der Aufteilung der Menschheit in zwei Geschlechter bezweifelt und lieber von der sprachlichen "Performance" abhängig machen möchte, aber es läßt sich nun einmal nicht bestreiten, daß unser Geschlecht durch die Beschaffenheit unserer Chromosomen und nicht durch sprachliche Vereinbarungen festgelegt wird. Ebenso darf der Erkenntnisgewinn des "Frame"-Begriffs bezweifelt werden; das ist doch einfach nur ein schicker Name für den schon immer von denkenden und kommunizierenden Menschen geübten Vorgang des Analysierens, Beschreibens und Publizierens.Vollends trivial - um das hier auch noch kurz loszuwerden - erscheint mir außerdem Butlers Berufung auf Hegels Definition des Ich als "nicht völlig festgelegte, nicht völlig umgrenzte Entität". Das heißt, eigentlich ist hier Hegel schon trivial, denn diese Definition des Ich beschreibt einfach nur etwas Lebendiges; alles, was lebt, ist nunmal nicht "völlig festgelegt und umgrenzt", im Unterschied zur toten Materie.

So, bis hierher und nicht weiter. Lohnt sich nämlich nicht. Und um das nur nochmal zu sagen: Egal, wie lächerlich die Begriffe "Exzellenzuniversität", "Humanities center" sind und was der Geier es sonst noch im Zuge der Universitätsreformen gibt, es ist trotzdem rüpelhaft, intolerant und pubertär, einen Redner, der nur seine Pflicht tut, durch Buhrufe und Gelächter niederzumachen!

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